SRH Wilhelm Löhe Hochschule
Forschung

Defining the Value of Medical Interventions | Band 3 der Reihe „Versorgung gestalten“

Tagungsband zur Clusterkonferenz "Zukunft der Pflege" erschienen

Im Herbst 2019 fand an der SRH Wilhelm Löhe Hochschule die vom BMBF geförderte und gemeinsam von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Prof. Dr. Jan Schildmann) und der SRH Wilhelm Löhe Hochschule (Prof. Dr. Jürgen Zerth) geförderte Klausurwoche „Defining the Value of Medical Interventions“ statt, wo Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern und Perspektiven sich eine Woche lang mit der Frage nach Wert- und Wertebestimmung im Gesundheitswesen auseinandergesetzt haben. Als Band 3 der Reihe „Versorgung gestalten“ ist nun der dazugehörende Herausgeberband (Jan Schildmann, Charlotte Buch und Jürgen Zerth als Herausgeber) im Kohlhammer-Verlag erschienen. Mit Fragen an Jan Schildmann und Jürgen Zerth sollen nun „Blitzlichter“ aus dem Sammelband akzentuiert werden:

Frage 1: Die Corona-Pandemie hat das Thema von Priorisierung und Schwerpunktsetzungen von Ressourcen deutlich in den Blick gesetzt. Ein eröffnender Beitrag Herausgeberband lenkt beispielsweise den Blick auf die wachsende Bedeutung, Gesundheit, Krankheit und Wert miteinander zu denken. Ist es künftig notwendiger, offen über Grenzen der Teilhabe an medizinischen Entwicklungen, insbesondere an der Teilhabe des medizinisch-technischen Fortschritts zu sprechen.

Jan Schildmann: Nun zunächst scheint es mir notwendig kritisch zu reflektieren, was Fortschritt im Gesundheitswesen ist und welche Kriterien wir hier anlegen. In einer Zeit, in der wir überschwemmt werden von sogenannten „Innovationen“ ist eine kritische Prüfung des Nutzens für die Patient*innen erforderlich. Auf dieser Grundlage sollte dann in der Tat auch im Rahmen eines gesellschaftlich und politisch legitimierten Prozesses überlegt werden, welche Prioritäten wir im Gesundheitswesen setzen wollen.  

Jürgen Zerth: Das Gesundheitswesen steht phänotypisch für einen hoch-dynamischen gesellschaftlichen Bereich, wo Veränderungen sowohl durch den so genannten medizinisch-technischen Fortschritts als auch durch die damit zusammenhängenden soziotechnischen Veränderungen geprägt sind. Die Frage, ob und in welcher Weise Medizin und Pflege künftig von Daten gesteuert und gelenkt werden kann und soll, fordert einen interdisziplinären Dialog über die geteilten Bilder von Nutzen, Verantwortung und Selbstverantwortung heraus, dies zeigt sich an vielen Stellen im Buch.

Frage 2: Das Buch „spielt“ bewusst mit dem Wechselkontext zwischen Wert und Werte. Sehen Sie einen ethischen Kompass, wo sie Leitplanken für die grundlegenden Strukturen der Wertbestimmungen verorten würden, hier würden wir insbesondere die Frage an Jan Schildmann stellen wollen.

Jan Schildmann: Ich sehe den Beitrag des Buchs insbesondere darin, dass Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Disziplinen in einem gemeinsamen Prozess sich der Frage, wie wir Werte und Wert im Gesundheitswesen verstehen und aufeinander beziehen könnten, nähern. Neben ethisch-normativen Beiträgen, die eine mögliche Orientierung auf die angemessene Erfassung des Wertes von medizinischen Interventionen geben, versammelt der Band auch mehrere wichtige empirisch-methodische Überlegungen zum Themenkomplex.

Frage 3: Die Auseinandersetzung mit Wert und Werte knüpft insbesondere daran an, wie solidarisch-finanzierte Gesundheitssysteme künftig mit dem Zuwachs an Innovationen umgehen können. Werden wir – hier die Frage dezidiert an den Gesundheitsökonomen – künftig stärker über dezidierte Priorisierungen sprechen müssen:

Jürgen Zerth: Die Frage, welche „Ansprüche“ an eine solidarisch-finanzierte Gesundheitsversorgung zu stellen sind, ist untrennbar mit der Entwicklung eines „Wachstumsmarktes Gesundheit“ verbunden. Insofern verändert sich die Herausforderung der vergangenen Jahre nicht, nämlich einen guten Ausgleich zwischen der Garantie der Teilhabe am medizinisch-technischen Fortschritt und einer möglichst breiten Zugang zu hochwertiger Versorgung zu haben, gleichzeitig aber auch dem Knappheitsproblem Rechnung zu tragen. Gerade die Bedeutung von so genannter stratifizierter Medizin macht es jedoch notwendiger, gute Versorgungsforschungsdaten zu nutzen und auch in kontrollierten, wettbewerblichen Experimenten die Suche nach den besseren Versorgungslösungen zu fordern. Hier auch einer Multidimensionalität des Nutzenbegriffs Rechnung zu tragen – hier setzen verschiedene Autoren des Sammelbandes an – spiegelt nur die Bedeutung heterogener Präferenzen und Versorgungsansätze in komplexen Gesellschaften wider.

Abschlussinformation: Der Band „Defining the Value of Medical Interventions“ fasst 10 Beiträge aus ethischer, gesundheitswissenschaftlicher und gesundheitsökonomischer Sicht zusammen. Diese wurden initiiert durch die an der WLH im September 2019 stattgefundene gleichnamige Klausurwoche.